Spezifische Verpackung der DNA beeinflusst die Zellteilung

LMU-Molekularbiologen konnten zeigen, dass diese einzigartige Verpackung entgegen gängiger Annahmen nicht nur eine Barriere, sondern auch eine notwendige Voraussetzung für die Replikation ist.

„Das ist einer der ganz grundlegenden Vorgänge des Lebens und ein tieferes Verständnis davon ist für sich schon wichtig. Außerdem laufen sowohl die Replikation als auch die Chromatinstrukturen z.B. bei Krebszellen aus dem Ruder. Dass wir jetzt beide Aspekte zusammenführen, könnte helfen, um in Zukunft eventuell bessere Medikamente zu entwickeln.“

Dr. Christoph F. Kurat, Leiter der Forschungsgruppe am Biomedizinischen Centrum der LMU (BMC)

Das Erbmolekül DNA liegt im Zellkern als dicht gepackter Komplex von DNA und Proteinen vor, der Chromatin genannt wird. Das Erbgut ist dabei abschnittsweise um einen Kern aus speziellen Proteinen, den Histonen gewickelt und bildet sogenannte Nukleosomen, die wie Perlen auf einer Schnur entlang der DNA angeordnet sind. Für einen der fundamentalen Prozesse des Lebens, die Replikation, galt diese im Wortsinn „verwickelte“ Struktur nach bisherigem Lehrbuchwissen eher als Barriere, die mit Energieaufwand gelockert und überwunden werden muss. Ein Team um den Molekularbiologen Dr. Christoph F. Kurat vom Biomedizinischen Centrum der LMU (BMC) hat nun gezeigt, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist: An bestimmten Stellen im Genom, den Startpunkten der Replikation, ist eine charakteristische Nukleosomenstruktur entscheidend, damit die Replikation überhaupt starten kann, wie die Forschenden im Fachmagazin Nature berichten.

Bevor sich eine Zelle teilen kann, muss sie ihr Erbgut verdoppeln. Dieser Prozess findet nicht nur an einer Stelle statt, sondern die molekularen Maschinen der Replikation setzen gleichzeitig an vielen Replikationsstartpunkten entlang der Chromosomen an. Menschliche Zellen besitzen 30.000 dieser sogenannten Origins („Replikationsursprünge“), und bei der einzelligen Bäckerhefe mit kleinerem Genom, die Kurats Team als Modellorganismus untersuchte, sind es noch etwa 400. An diesen Origins fanden Forschende bereits vor einiger Zeit charakteristische Chromatinstrukturen: Die Nukleosomen sind an diesen Stellen sehr regelmäßig angeordnet, „viel ordentlicher als im Rest vom Genom“, sagt Kurat.

Minimalistischer Nachbau im Reagenzglas
Um zu untersuchen, wie diese Regelmäßigkeit der Struktur zustande kommt und wie sie sich auf die Replikation auswirkt, isolierte Kurat mit seinem Team in langjähriger Arbeit die an der Replikation beteiligten Proteine und Origins aus Hefezellen, so dass sie ein funktionelles Replikationssystem im Reagenzglas nachbauen konnten. „Ein solcher biochemischer Rekonstitutions-Ansatz ist extrem aufwendig“, betont Kurat, „aber auch sehr wertvoll, um komplizierte Prozesse im Detail zu verstehen. Ein Glücksfall für uns war dabei die sehr fruchtbare Kollaboration mit Kolleginnen und Kollegen am BMC und am MPI für Biochemie.“

Mit diesen Rekonstitutionen konnten die Forschenden nachweisen, welche Faktoren die regelmäßige Chromatinstruktur an den Origins erzeugen und wie wichtig das ist, damit die Replikationsmaschinerie an ihren Startpunkten loslegen kann. „Mutierte Zellen ohne diese Chromatinstruktur sind nicht lebensfähig“, sagt Erika Chacin, die Erstautorin der Studie. Ein Schlüsselfaktor für den Replikationsstart ist der Protein-Komplex ORC (engl. Origin Recognition Complex), von dem schon lange bekannt ist, dass er die notwendigen Teile der Replikationsmaschinen rekrutiert. Zu ihrer Überraschung entdeckten die Wissenschaftler, dass dieser Komplex noch eine zweite Funktion hat: Er ist entscheidend an der Entstehung der geordneten Chromatinstruktur an den Origins beteiligt, indem er zusammen mit sogenannten Chromatin-Remodeler-Komplexen die Nukleosomen entsprechend anordnet.

„Unsere Ergebnisse helfen, die Replikation besser zu verstehen“, sagt Kurat. „Das ist einer der ganz grundlegenden Vorgänge des Lebens und ein tieferes Verständnis davon ist für sich schon wichtig. Außerdem laufen sowohl die Replikation als auch die Chromatinstrukturen z.B. bei Krebzellen aus dem Ruder. Dass wir jetzt beide Aspekte zusammenführen, könnte helfen, um in Zukunft eventuell bessere Medikamente zu entwickeln. Viele Krebsmedikamente inhibieren die DNA-Replikation. Das ist mit starken Nebenwirkungen verbunden. Die Chromatinstruktur könnte ein neuer Hebel sein, mit dem man in Zukunft ansetzen könnte.“

Die Publikation finden Sie hier: www.nature.com/articles/s41586-023-05926-8

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